Zum zehnten Todestag – Simon Junker

ZehnterTodestag

Der Maler Ingo Kuczera

Am dritten November 2004 beging Ingo Kuczera in einer zu Herzen gehenden Feier, das vor allem im Nachhinein, seinen vierzigsten Geburtstag. Es fehlte kaum einer seiner Freunde, die fast ausnahmslos in der Radebeuler und Dresdener Künstlergemeinde beheimatet sind. Es herrschte ungeteilte Freude, stellte Kuczera doch gewissermaßen in einer etwas größeren Kabinettsausstellung in der Galerie Oberlicht seine sehr innovativen Gemälde der letzten Zeit vor. Waren die Bilder der Jahre von 1998 bis 2003 relativ verortet, der Sichtbarmachung innerer menschlicher Zustände, auch der des Künstlers, gewidmet, waren die vielen neuen Sachen eine Öffnung zur Welt und ein großer künstlerischer Schritt in eine neue kreative Phase von Dauer und Qualität. Dahin deutete alles an diesem Abend. Kuczeras Bilder sind immer aus einem inneren menschlichen Grund gekommen und ragten sehr oft in eine Sphäre herbstlichen Kosmos, die den Sommer nur andeuteten. Dass er darin ein Meister war, dass man von ihm viel nehmen konnte, war lange klar. In seiner Malerei gab es keine künstlerischen Dogmen, er schöpfte aus seiner klaren Auffassung der Dinge, vor allem auch der Natur, die ihn umgaben. Dass es oft in menschliche Grenzbereiche ging, war für ihn eine Notwendigkeit. Gerade hatte er das manchmal leicht Quälerische in einer schönen neuen Welt, verbunden mit der Grundsubstanz all der Jahre in die Höhe gehoben. Die in seinen Werken immer wiederkehrenden Symbole, der Schwan und der Delphin, verkörperten auf wunderbare Weise die Zuversicht einer geistig geklärten Welt. Alles, was von seiner Hand kam war gewissermaßen  eine heilsame Verstörung. Es sieht  erst einmal alles einfach aus und nach der Verstörung erhält man die Aufklärung. Über die Schönheit der Welt, wie nur Ingo Kuczera sie malen konnte. Er musste nicht erst den Schwan, der ja Zeus ist, in seine Bildwelt setzen, weil ein kleines Wölkchen vom Olymp herab in fast jedem Bilde sichtbar ist.

So sehr, wie er aus sich selbst schöpfte, schöpfte er aus seinem Unterbewusstsein, was sich in surrealen Details seiner Bilder abzeichnete. Deshalb gibt es auch kaum Details in seinen Werken, die uns verschlossen bleiben oder gar fremd sind. Ein einfacher Kringel, in einer breiten Bahn, gewissermaßen  mit dem breiten Pinsel einer vorübergehenden Dumpfheit gezogen, ist oft die Ergänzung eines starken Gefühls.

Das Zeichnen. Wo andere in der zeichnerischen Vorbereitung, auf dem Weg zum Gemälde scheiterten,  einer wichtigen Grundlage nicht gerecht werden konnten, schuf sich Kuczera sein zeichnerisches Fundament. In seinen Zeichnungen vor allem erkennt man auch seine Freude daran. Und das setzt sich in den Figuren fort. Es ist vielleicht etwas übertrieben, aber in diesem inneren Monolog, den er oft nachts in seinem Atelier betrieb, taucht irgendwann ein genialer Moment auf, der sich dann in einem Gesichtsausdruck, in einer Kopfhaltung, in der Unwiederholbarkeit einer Figur festlegt. Weil er auch die Grenzbereiche der Psyche gesehen hat, konnte er uns so viel Menschliches zeigen.

Sein Tod am 10.11.2004 hat Ingo Kuczera in der Öffentlichkeit nicht bekannter gemacht. Jedoch kann man in dem 2006 erschienenen Katalog eindrucksvoll erkennen, welche Höhen er wohl noch erreicht hätte. In einem schriftlich von ihm niedergelegten Satz heißt es:“ Es muss eine Poesie in die Welt, das ist klar!“ Aus seinen Bildern leuchtet diese als unvergängliches Credo.

Anders ist es mit seinem Bekanntheitsgrad als Mensch. Der Titel eines schmalen Buches von Arnold Schönberg lautete: Stil und Gedanke. Aus diesen drei Worten hat Ingo Kuczera in einer stillen, wohl auch traurigen Stunde mehrere Buchstaben mit einem Bleistift herausgestrichen, durch einige neue ergänzt, sodass nun zu lesen ist:“ Still danke sagen und gehen“. Er hat uns leider gezeigt, dass er einer ist, der seinen Ankündigungen auch Taten folgen lässt. Niemand der ihn kannte wird ihn vergessen.

Simon Junker

1 Kommentar

Zarina

14. November 2014 um 10:20    


Danke für diesen Beitrag, Simon, der aus meiner Sicht, sprachlich sehr gut trifft, wie Ingo bzw. wie es mit Ingo war.

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